Unterleuten von Juli Zeh

Die Rezension zu einem Buch zu schreiben, das mir nicht gefallen hat, fällt mir immer sehr schwer. Und ich habe mich entschlossen auch meine Eindrücke zu Büchern mit dir zu teilen, die mich gar nicht begeistern konnten.

Ich bin auf „Unterleuten“ gestoßen, weil mich „Corpus Delicti“ von Juli Zeh begeistert hat und das Thema Windkraftanlagen in Naturschutzgebieten für mich eine persönliche Sprengkraft hat. Schließlich wird meine zweite Heimat und einer meiner Lieblingsorte auf der Welt – Shetland – gerade auf dem Altar der Windkraft geopfert.

Die heiße Diskussion um das Für und Wider solcher Megaanlagen begleitet mich seit gut 10 Jahren.

Am Anfang stand die Motivation für Unterleuten

Ich bin also hoch motiviert in Unterleuten gestartet.

Sprachlich war ich bei der Autorin auch wieder gut aufgehoben und bin gut in den Roman eingestiegen.

Unterleuten ist ein kleines (200 Einwohner:innen) Dorf in Brandenburg mit einem großen Landwirtschaftsbetrieb als wichtigstem Wirtschaftsfaktor, einem Naturschutzgebiet mit Kampfläufern und einer gemischten Bevölkerung, die sich aus zugezogenen Städter*innen und Alteingesessenen zusammensetzt.

Eine Trappe auf weißem Hintergrund - Cover zu Unterleuten von Juli ZehNaturgemäß ist das Leben im Dorf von zahlreichen Konflikten bestimmt, die sich teilweise über Jahrzehnte entwickeln konnten.

In diesen Mix aus Menschen und Konflikten kommt die Ankündigung, dass eine Windkraftanlage in der Nähe des Dorfes gebaut wird. Zur Debatte steht nur die Frage, WO sie gebaut wird, und nicht ob oder nicht.

Dass dieses Ereignis zu einer Eskalation der Konflikte führen wird, steht nie infrage – insofern ist es auch kein Spoilern, wenn ich es hier erwähne. 😊

Warum ich trotz gutem Start nach etwa zwei Dritteln emotional ausgestiegen bin und mir den Rest nur aus Prinzip angehört habe, das fasse ich für dich zusammen.

Das Audible-Hörbuch wird übrigens von Helen Grass hervorragend und stimmungsvoll gelesen.

Psychologie verblasst ohne Soziologie und Ökonomie

Viele der Konflikte, um die es in Unterleuten geht, haben soziale und vor allem ökonomische Wurzeln. Betrachtet werden sie allerdings nur psychologisierend.

Das ist ein Phänomen, das in unserer Gesellschaft derzeit weitverbreitet ist. Das macht es aber nicht wirksam. Jeder Versuch, ökonomische Konflikte, wie den zwischen Großgrundbesitzern und Landarbeiter:innen oder auch den zwischen DDR und BRD aus rein psychologischer Sicht zu betrachten, ist zum Scheitern verurteilt.

Da hilft auch die schönste Sprache nicht.

Es ist also auch nicht verwunderlich, wenn die Eskalationsstufen sehr sprunghaft gezeichnet und nur mit wirklich gutem Willen nachvollziehbar sind. Enttäuschend ist es allemal.

Mir ist schon klar, dass wir in einer Gesellschaft leben, die stark von Gewalt geprägt ist. Sie nur zu beschreiben und psychologisch (also als inneren Prozess von einzelnen Menschen) zu erklären, gleitet allzu leicht ins Plakative ab und schafft statt Klarheit Verwirrung.

Ich mag die Darstellung von Gewalt deren Entwicklung nicht auch sozial, bzw. ökonomisch nachvollziehbar abgeleitet wird, gar nicht. Ohne diese Hintergründe finde ich sie abstoßend und zutiefst unbefriedigend.

Mir ist auch aufgestoßen, dass die Objektivität, mit der Juli Zeh in Unterleuten zu Anfang zwischen den verschiedenen Personen, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, wechselt, mit Fortschreiten der Handlung zunehmend schwindet – zwar teils subtil, aber dennoch unübersehbar.

Letztlich wird die Handlung so zwangsläufig willkürlich und somit auch nichtssagend.

Dass der ganze Roman vom Blick einer Städterin auf das Leben und die Menschen auf dem Land geprägt ist, erwähne ich auch noch. Nicht, weil ich es schlimm finde, sondern weil der Epilog diesbezüglich so mühsam ist.

Ein sehr spannendes Thema ziemlich unbefriedigend aufgelöst – und dafür ist das Buch richtig lang.
Hätte ich vorher gewusst, was mich erwartet, hätte ich mich nicht auf dieses Buch eingelassen.

Wenn dir soziale und ökonomische Zusammenhänge unwichtig sind, wirst du vermutlich mit Unterleuten auf deine Kosten kommen. Denn gut geschrieben ist der Roman.

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Hier kommst du zu meiner Rezension von „Corpus Delicti“ von Juli Zeh.

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